Als sogenannter Gutachter für das Hundewesen möchte ich ein paar Worte loswerden:
Ein kleiner Einblick in die Entstehungsgeschichte der Rasselisten!
Deutschland gilt als Vorbild, wenn es um die Listung angeblich gefährlicher Hunderassen geht. Dabei wird wenig berücksichtigt, dass es Bundesländer in Deutschland gibt, die sich mittlerweile von solchen Listen verabschiedet haben.
So hat sich zum Beispiel Niedersachsen gegen Rasselisten entschieden.
Thüringen hat sich erst gegen eine Aburteilung bestimmter Hunderassen entschieden, da die Gefährlichkeit nicht an bestimmten Hunderassen auszumachen sei. Dann gab es nun doch eine Rasseliste, die 2018 aber jedoch wieder abgeschafft wurde. Jedes Bundesland hat ein anderes Verfahren, sind Hunde in einem Bundesland gefährlicher als in dem anderen?
– welch Wirrwarr…
In der Geschichte hat Bayern 1992 eine Vorreiterrolle eingenommen. Bestimmte Hunderassen oder Mischungen aus diesen wurden durch das Bayerische Staatsministerium des Inneren erstmalig gelistet. Nach einem tödlichen Beißvorfall auf ein sechsjähriges Kind in Hamburg verschärfte sich das Hundegesetz noch mehr und viele Länder zogen im Eilverfahren nach. Eilverfahren, weil die Presse regelrechte Hetze gegen sogenannte „Kampfhunde“ betrieb und das Volk in Aufruhr brachte. So forderten die Medien ein sofortiges Handeln, was letztendlich Politiker entweder ausnutzten oder unter panischer Motivation eine unüberlegte Schnelllösung präsentierten.
Das Wort „Kampfhund“ ist und bleibt polarisierend ohne Rücksicht auf Rasse, Typus oder Verhaltensbiologie.
Dabei muss unterschieden werden zwischen politisch-juristischer und verhaltensbiologischer Sichtweise. Man kann ruhig von zwei unterschiedlichen „Sprachen“ reden. Der Verhaltensbiologe oder fachkundige Wissenschaftler weiß, dass es keine gefährliche Hunderasse an sich gibt, sondern nur einzeln gefährliche Individuen. Dem entgegen haben die meisten Politiker oder Beamte der Behörden oft kaum bis gar keine Ahnung von Hunden, geschweige denn vom Verhalten dieser Tiere. Sie führen den Schriftverkehr in Amtssprache und richten sich nach Paragraphen. Das Leben von Menschen und Tieren kann sich dadurch dramatisch verändern.
Ableugnen von genetischen Faktoren
Genetik ist unbestreitbar ursächlich dafür, welche Augen- oder Haarfarbe wir vererben. So gibt es eine genetische Disposition, als Beispiel darf hier an rassetypische Krankheiten gedacht werden. Zu wie viel Anteilen, im jeweiligen Fall, darüber lässt sich streiten.
Es darf niemals außer Acht gelassen werden, dass es ebenso eine Verhaltensdisposition gibt. Bestimmte Hunderassen oder Typen sind nun mal für gewisse Hilfsarbeiten gezüchtet worden. Es werden bestimmte Anlagen vererbt und natürlich spielen wie so oft Umweltfaktoren, Erziehung und das soziale Umfeld mit, wenn es um die Entwicklung heranwachsender Hunde geht. Der Vorsteher steht vor und der Hüter hütet. Es gibt nun mal Hunderassen, die gerne jagen oder sehr wachsam sind. Manche können auch beides. Skeptische Hunde werden gerne als Wachhunde verwendet und so weiter.
So diente das Zuchtziel des Terriers dem Packen und Töten von Wild bei der Jagd. Diese genetische Disposition wurde von skrupellosen und geldgierigen Menschen ausgenutzt. Und so wurden bestimmte Terrier mit der traurigen Aufgabe belegt, im Kampf gegen andere Hunde oder Tiere bei Wettkämpfen zu bestehen. Es folgte eine weitere Selektierung und so durften sich nur die Besten Kämpfer miteinander verpaaren. Auf innerartlich soziales Verhalten wurde kein Wert gelegt, das Verhalten gegenüber Menschen sollte trotzdem freundlich sein.
Es entstand die Namensgebung „Kampfhund“. Der Pitbull Terrier trägt das Wort „Pit“ (engl. Arena) in seinem Namen, welches auf seine Verwendung als bemitleidenswerter „Gladiator“ hinweist.
Andere Hunde wurden wiederum für den Krieg genutzt. Diese Kriegshunde waren von der Rasse her unterschiedlich und manche trugen Rüstungen. Diverse Molosserrassen haben Vorfahren auf dem Schlachtfeld aber auch der deutsche Schäferhund, Mischlingshunde und sogar Yorkshireterrier wurden als Kriegshunde verwendet. Manche zum Bewachen, wieder welche um die Pferde der Gegner scheu zu machen oder um die Soldaten durch die feinen Sinne der Hunde vor gegnerischen Angriffen zu warnen.
Das Wort „Kriegshund“ klingt martialisch, aber nicht so krass wie „Kampfhund“. Und dennoch muss jeder Halter wissen, welche Genetik an seiner Leine schlummert.
Übrigens gibt es Kampffische, Kampfhähne und Kampfadler, diese sind noch nicht gelistet 😉
Gefährliche Rassen
Jeder Hund kann gefährlich werden. Ein Hund der in den Straßenverkehr rennt, ein Hund der einen Sturz verursacht oder, oder, oder…
Ein Hund kann aggressiv und durch den Hundehalter so gut abgesichert sein, dass dieser keine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellt. Wiederum gibt es Hundehalter, welche die Gefährlichkeit ihrer Hunde nicht erkennen und einen fahrlässigen Umgang mit diesen Tieren pflegen.
Letztendlich gibt es keine gefährliche Hunderasse, nur Hunde mit nicht zu unterschätzenden Potenzial, dem gilt es mit der richtigen Haltung und Wissen über das jeweilige Verhalten vorzubeugen.
Wesenstests
Sind immer nur Momentaufnahmen im Leben des jeweiligen Hundes und häufig Verhaltensbiologisch nicht haltbar.
Aggressionsverhalten vs. Jagdverhalten
Der Fall „Chico“, ein Staffordshire-Terrier- Mix der zwei Menschen getötet hat, zeigte, wie sehr sich Menschen durch die Medien emotional anstecken lassen. Nun war nicht der Hund der Böse, sondern der Mensch. „Lasst „Chico“ frei, er ist nicht aggressiv!“ -rief die Masse. Doch was, wenn der Hund „Chico“ gar nicht aggressiv war? Was, wenn „Chico“ Menschen zur Beute gemacht hat, er also ein verschobenes Jagd- Beutefangverhalten hatte?
Die meisten tödlichen Beißvorfälle sind aus einer jagdlich verschobenen Motivation heraus passiert. Es kann sein, dass ein für den Menschen harmlos und unauffällig geltender Hund in einer jagdlichen Sequenz durchaus gefährlich ist. Bei „Chico“ kann beides zugetroffen haben, Aggressions- und Jagdverhalten. Das eine wechselt in das andere über…- Schlimme Vorstellung!
Zucht- und Wettkampfregeln
Ein großes Problem ist die Prüfungsordnung für bestimmte Hunderassen. Teilweise wird Schutzdienst verlangt und nur der Beste und Schönste soll sich reproduzieren. Der heutige Schutzdienst ist überwiegend auf Beutefangverhalten aufgebaut, in der Szene auch „Spieltrieb“ genannt. So entsteht durch Vererbung, ein mit der Zeit, auf Bewegungsreiz anfälliger Hundetypus.
Was hat es nun auf sich mit dieser Beißkraft?
Die Beißkraft wird in Newton pro Quadratzentimeter (N cm−2) gemessen. Es handelt sich also nicht um die Angabe einer Kraft, sondern um einen Druck. Es gibt Hunderassen und Mischlinge, die mehr Beißdruck haben als der mittelgroße Pitbullterrier. Der Mensch hat nach diesen Untersuchungen ca. 800 N cm−2, während ein Wolf nur schlappe 590 N cm−2 habe. (Quelle: Wikipedia)
Maulkorbpflicht für alle!
Wenn Menschen durch Hunde ums Leben kommen ist das kein Neuzeit-Phänomen, nur wusste es früher ein begrenzter Teil. Heutzutage wissen wir durch das Medium Internet, in Sekundenschnelle, wenn irgendetwas, irgendwo auf dem Erdball passiert.
Die Berichterstattung ist eine andere geworden. Wenn Kinder durch den Straßenverkehr oder andere schlimme Dinge ums Leben kommen ist die Schlagzeile nicht halb so brisant, als wenn ein Kind durch einen Hund getötet wird.
Eine Maulkorbpflicht für alle oder bestimmte Rassen ist mit Sicherheit keine Lösung, viel mehr sollte den verschiedenen Medien ein Maulkorb auferlegt werden, damit Falschangaben und Meldungen keinen Nährboden mehr finden. Wenn ein Hund auffällig geworden ist, kann und soll entschieden werden und zwar individuell und angepasst.
Dennoch ist es gut, dem eigenen Hund, egal welche Rasse, ob groß oder klein an einen Maulkorb zu gewöhnen. Das ist gut für einen eventuellen Tierarztbesuch oder für die Deutsche Bundesbahn.
Fazit
Der Mensch hat also mehr Beißdruck, als zum Beispiel der „böse“ Wolf. Vielleicht sollte der Mensch gelistet werden und einen Wesenstest absolvieren? Spaß beiseite, ich denke der zukünftige Hundehalter gehört überprüft und beraten. Ein Maulkorb für bestimmte Hunderassen ist als verwerflich anzusehen, ebenso wie das Listen sogenannter gefährlicher Hunderassen. Wir sollten uns vielmehr mit der Verhaltensbiologie der Hunde auseinandersetzen und aufhören Tiere zu verniedlichen oder gar zu verteufeln. Es gibt weder Kampfschmuser noch Kampfhunde, aber Hunde, die verstanden und umsichtig geführt werden wollen! Es bleibt zu hoffen das Österreich gut überlegt was zu tun ist und nicht etwa die gleichen fatalen Fehler begeht, wie unser Land.
Gerd Schuster